Eine Materialseilbahn, auch Lastenseilbahn oder Güterseilbahn genannt, ist eine Luftseilbahn, die normalerweise nur für den Transport von Gütern, beispielsweise von Erzen oder Lebensmitteln, zugelassen ist.
Eine der ältesten Materialseilbahnen war die vom Holländer Adam Wybe im Jahr 1644 errichtete Seilbahn für den Bau einer Bastion bei Danzig. Die Seilbahn war als Einseilumlaufbahn konzipiert, das Material wurde in Eimern transportiert. Der Antrieb erfolgte wahrscheinlich über einen Göpel, als Seil wurde ein Hanftau verwendet. Leistungsfähigere Anlagen waren erst nach der Erfindung des geschlagenen Drahtseils im Jahr 1834 möglich. Das System von Adam Wybe wurde 1868 vom Engländer Charles Hodgson patentiert und später auch als Englisches System bezeichnet. Es war in den USA und dort vor allem in den Bergwerken von Colorado verbreitet.
Der Bergrat Freiherr Franz Fritz von Dücker beschrieb 1861 erstmals die Zweiseilumlaufbahn. Sie besteht aus einem Tragseil, auf dem die Fördermittel auf Rollen laufen, und einem Zugseil, das die Fördermittel bewegt. In den Endstationen werden die Loren zum Füllen und Entleeren vom Zugseil getrennt, was eine Einrichtung erforderlich macht, mit der die Loren im Betrieb am Zugseil festgeklemmt werden konnten. Diese Art von Bahnen wurden in Deutschland durch die Adolf Bleichert und Julius Pohlig gebaut. Die Zweiseilbahnen wurden dementsprechend auch Deutsches System, Bleichertsche oder Ottosche Seilbahnen genannt, wobei Theodor Otto ein Ingenieur war, der zuerst mit Bleichert im Ingenieurbüro für Drahtseilbahnen in Schkeuditz zusammen arbeitete, sich dann aber 1876 von Bleichert trennte und mit Pohlig zusammenarbeitete.
Die Bahnen von Pohlig verwendeten zuerst einen sogenannten Schraubstockkuppelapparat. Die Verbindung der Loren zum Zugseil wurde durch eine Klemme mit Gewinde hergestellt. Das Gewinde wurde von Hand zugedreht und beim Einfahren in die Endstation durch einen Anschlag geöffnet. Später wurde eine Gewichtshebelkupplung verwendet, bei der die Schraubklemme mit einem Gewichtshebel betätigt wurden, der von Führungsschienen in der Abgangs- und Zielstation umgeworfen wurde, um die Klemme zu schließen und zu öffnen.[1]
1644: Seilbahn zum Bau einer Bastion in Danzig
1896: Verladestation Niederweningen der Seilbahn der Zementfabrik Lägern
1918: circa fünf Kilometer lange Materialseilbahn Leimen–Nußloch
1935: Inserat der Fa. Bleichert
1939: Materialseilbahn Bulembu–Barberton an ihrem höchsten Punkt
1941: ehemalige Anlage der I.G. Farbenwerke in Ludwigshafen
1963/64 erbaute Materialseilbahn Reșița in Rumänien
Materialseilbahn der Zeche Carolinenglück
Materialseilbahnen werden gebaut:
Bauseilbahnen sind temporäre Materialseilbahnen, die vorübergehend errichtet werden, um Baustellen mit Baumaterialien (beispielsweise Fahrzeuge, Anlagen, Schotter, Zement) zu beliefern oder Bauschutt und dergleichen abzutransportieren. Eine Bauseilbahn nur für Schüttgut (Sand, Kies, Zement,…) kann in Form einer Lorenseilbahn ausgeführt sein.
Bauseilbahnen finden Verwendung v. a. im unzugänglichen Gelände (Hochgebirge,…) etwa beim Bau von Seilbahnen, Eisenbahnen, Sendemasten, Berghütten u. a. Auch Deiche beim Niederländischen Deltaplan-Projekt wurden mithilfe von Seilbahnen errichtet, wobei die Steine von den Seilbahnen direkt ins Meer geschüttet und so die Dämme aufgeschüttet wurden.[2]
Das Bauprojekt „Linthal 2015“ der Kraftwerke Linth-Limmern ist derzeit das größte Schweizer Bauvorhaben im Energiebereich, bei der das größte Wasserkraftwerk der Schweiz entsteht. Dazu wurden zwei Bauseilbahnen gebaut, die eine Materiallast von bis zu 30 Tonnen, in Ausnahmefällen bis 40 Tonnen[3] pro Gehänge tragen können.[4]
Lorenseilbahnen dienen vorrangig dazu, um Schüttgut (Rohstoffe wie etwa Erz oder Kohle), das an einer Lagerstätte abgebaut wird, zu einem weit entfernten Verlade- oder Verarbeitungsbetrieb zu befördern. Mit ihnen werden teilweise erhebliche Entfernungen (bis zu 96 km, siehe Beispiele) über unwegsames und schwieriges Gelände überwunden. Durch sie wird der Einsatz von Straßentransportfahrzeugen vermieden oder es werden teilweise hohe Investitionen für den Bau von schienengebundenen Transportwegen gemindert. Eine Besonderheit von Lorenseilbahnen sind die Schutzbrücken über anderen Verkehrswegen. Sie sollen verhindern, dass umkippende oder abstürzende Loren größere Schäden anrichten. Die meisten Materialseilbahnen wurden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Ländern gebaut, die noch keine ausreichenden Verkehrswege hatten.
Seilwege dienen hauptsächlich der Heueinbringung im steilen Gelände und werden von Hand bedient. Dasselbe für Holz gilt für Holzseilbahnen.
Eine weitere Anwendung für Materialseilbahnen sind Lawinensprengseilbahnen, mit denen Sprengladungen zum künstlichen Auslösen von Lawinen an den gewünschten Ort befördert werden.
Angetrieben werden Materialseilbahnen meist von einem Benzinmotor, Dieselmotor oder Elektromotor. Größere Materialseilbahnen sind meist als Zweiseilumlaufbahnen ausgelegt, mit einem Tragseil für jede Richtung und einem umlaufenden Zugseil, das die Loren bewegt. Viele kleine Bahnen bestehen aus einem einzelnen Tragseil, an dem die Last an einer Rolle hängt. Die Rolle wird entweder von oben mit einem Hilfsseil gezogen oder abgelassen, oder oben umgelenkt von unten mit einem Hilfsseil hochgezogen. Das Hilfsseil ist auf einer speziellen Stahlseil-Trommel aufgewickelt, die vom Motor gedreht wird.
Es gibt (speziell bei Holzseilbahnen, die nur vorübergehend aufgebaut sind) funkferngesteuerte, mit einem Verbrennungsmotor angetriebene Laufkatzen, deren Antriebsrollen fest an das Tragseil angepresst werden, und eine Seilwinde zum Heben und Senken der Last haben.
In Gebirgsregionen gibt es, bedingt durch die Topografie, tausende von Materialseilbahnen. Diese Bahnen stellen ein großes Risiko für Flugzeuge, insbesondere Helikopter[5] und Hängegleiter dar.
Viele dieser Seile sind auf keiner Gefahrenkarte eingezeichnet und erhöhen daher das Kollisionsrisiko.
In der Schweiz bietet die Schweizer Luftwaffe seit Jahren eine kostenlose Demontage nicht mehr benötigter Materialseilbahnen an, um das Risiko für zivile und militärische Luftfahrzeuge zu verringern.