Journalismus (abgeleitet von französisch „Journal“) bezeichnet die periodische publizistische Arbeit von Journalisten bei der Presse, in Online-Medien oder im Rundfunk mit dem Ziel, Öffentlichkeit herzustellen und die Öffentlichkeit mit gesellschaftlich relevanten Informationen zu versorgen.
Journalismus kann man auf drei verschiedenen Ebenen definieren:[1]
Auf gesellschaftlicher Ebene kann man den Journalismus als professionelle Fremdbeobachtung verschiedener Gesellschaftsbereiche betrachten. Themen mit Aktualität, Faktizität und Relevanz stellt er durch Publikation für die öffentliche Kommunikation zur Verfügung. Dies unterscheidet den Journalismus insbesondere von Public Relations, Werbung und Literatur.
Auf der organisatorischen Ebene produzieren Medienbetriebe und -angebote kontinuierlich journalistische Kommunikation mit Aktualität, Faktizität und Relevanz. Damit unterscheidet sich der Journalismus von Medien mit fehlender Periodizität (Bücher) und fehlender Faktizität (Romanhefte, Spielfilme, Satiremagazine).
Auf der Akteursebene wird der Journalismus von hauptberuflich agierenden Journalisten ausgeübt. Dafür muss ein Journalist mehr als die Hälfte seiner Einkünfte aus journalistischer Arbeit erzielen oder mehr als die Hälfte seiner Arbeitszeit für journalistische Medien tätig sein.
Journalismus trägt zur öffentlichen Meinungsbildung bei. Er wird deshalb oft als vierte Gewalt im Staat bezeichnet (vgl. Fabris 1981). Diese Klassifizierung prägt bereits der britische Gelehrte Frederick Knight Hunt Mitte des 19. Jahrhunderts ("The Fourth Estate"). Die Aufgabe des Journalismus wurde in der Geschichte immer wieder neu interpretiert. Der Journalismus ist permanent in Bewegung, sein stetiger Wandel schafft jeder Journalistengeneration neue Probleme und neue Herausforderungen.[2]
Praktisch jede moderne Form der Nachrichtenübermittlung kann als Medium für den Journalismus dienen:
Je nach Sparte kommen Texte, Fotos, Informationsgrafiken, Originaltöne und bewegte Bilder zum Einsatz. Infolge der Digitalisierung werden von Journalisten immer mehr Metamedien genutzt (Suchmaschinen, Bildverzeichnisse, soziale Netzwerke, Portale oder Wikipedia), die Texte, Daten und Bilder aus Primärmedien abgreifen bzw. repräsentieren, wobei sie eine oft nicht nachvollziehbare Selektion, Ordnung und Gewichtung dieser Quellen durch intransparente Algorithmen vornehmen. Damit verschiebt sich die journalistische Arbeit immer mehr in Richtung der Medienrecherche am Schreibtisch; sie wird – systemtheoretisch gesprochen – zur Beobachtung zweiter Ordnung. Andererseits ist es durch eine solche Beobachtung zweiter Ordnung möglich, die Beobachtungen der Primärmedien zu kontextualisieren und ihre blinden Flecke zu erkennen. Dort wo vor allem die Recherche, Auswertung, Darstellung und Analyse von digitalen Daten im Mittelpunkt der journalistischen Tätigkeit steht, spricht man auch von Datenjournalismus.
Innerhalb der verschiedenen Medien definiert sich das journalistische Berufsbild gemäß Walther von La Roche (2013) anhand der Tätigkeiten:
Mit der Veränderung des Berufsbildes seit den 1990er Jahren sind für Journalisten bei all diesen Arbeiten Management-Tätigkeiten und der Einsatz der Computertechnik stärker in den Vordergrund getreten.
Immer mehr freie Journalisten arbeiten, um ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können, nicht mehr ausschließlich im klassischen Journalismus, sondern zusätzlich im Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Das kann zu Interessenkonflikten führen. Das Netzwerk Recherche und andere Verbände und Gruppen fordern deshalb eine strikte Trennung der Tätigkeiten von Journalismus und Pressearbeit.
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Art der Medienfinanzierung. Unabhängig von Medien- und Darstellungsform sowie Feldern der Berichterstattung und Handlungsrollen wird unterschieden zwischen:
Nach den journalistischen Handlungsrollen unterscheiden die Kommunikationswissenschaftler Ulrich Saxer und Siegfried Weischenberg zwischen
Diese journalistischen Rollenbilder sind jedoch nie in idealtypischer Ausprägung anzutreffen.
Immer dann, wenn der Journalismus gezielt auf die Erweiterung von Handlungsressourcen der Rezipienten abzielt, wird vom Ratgeberjournalismus gesprochen.
Eine weitere Einteilung orientiert sich an den Berichterstattungsfeldern (Special-Interest-Journalismus sowie Fachjournalismus) und Ressorts. Beispiele: Kulturjournalismus, Wirtschaftsjournalismus, Wissenschaftsjournalismus, Technikjournalismus, Lokaljournalismus und Auslandsberichterstattung.
Über diese Kategorisierungen hinaus existiert noch der nicht unerhebliche Bereich des Boulevardjournalismus, der in Deutschland die auflagenstärksten Zeitungen und Zeitschriften stellt.[4] Allerdings wird häufig darüber gestritten, ob der Boulevardjournalismus tatsächlich noch zum Journalismus gehörig anzusehen oder ob er nicht eher der sogenannten Yellow Press (auch: „Bunte Blätter“) zuzurechnen ist, da der Boulevard eher der unseriösen Presse zugeordnet wird. Ebenfalls meist abwertend gemeint ist die Bezeichnung «Thesenjournalismus» für eine Form der Berichterstattung, der es darum geht, einer bestimmten Auffassung Aufmerksamkeit oder Wirkung zu verschaffen.
Unabhängig vom Medium und der Kategorisierung bleiben sich die journalistischen Darstellungsformen gleich: Meldung, Nachricht, Bericht, Reportage, Interview, Kommentar usw. Wobei nur die Kategorie des Informationsjournalismus Information und Meinungsdarstellung/Kommentierung für den Leser deutlich erkennbar trennt (1. Trennungsregel).
Quellen: Häufig werden Meldungen von Nachrichtenagenturen verwendet und bei Bedarf gekürzt oder um Ergebnisse eigener Recherche erweitert. Weitere Methoden sind persönliche Recherchen, Telefonrecherche, Archivrecherche und Recherche im Internet.
In der Praxis werden oft auch Pressemitteilungen (auch: „Originaltexte“ oder "Waschzettel") von Unternehmen und Institutionen unverändert übernommen. Damit wächst der Einfluss der Public Relations auf den Journalismus. Grundsätzlich muss laut Presserecht der redaktionelle Teil eines Mediums unabhängig vom Anzeigenteil (Werbung) erstellt werden (2. Trennungsregel).
Mit dem gesellschaftlichen Wandel entstehen neue Formen des Journalismus, bei denen journalistische und literarische Formen gemischt werden. In ihrer chronologischen Reihenfolge sind dies:
Den Begriff New Journalism prägte der US-amerikanische Schriftsteller, Journalist, Kunst- und Architekturkritiker Tom Wolfe Mitte der 1960er Jahre. Er schrieb höchst subjektive Reportagen und setzte dabei stark auf literarische Stilmittel, auch wenn er sich korrekt an die Fakten hielt. Die Stilrichtung und die Themen wurde von der Literatur der Beat Generation der 1950er-Jahre mit geprägt. So schrieben die Reporter des New Journalism über die neuen Subkulturen der Popmusik oder die Drogenszene und mischten mit ihrer Radikalität die gewohnte Politikberichterstattung auf.
Der Gonzo-Journalism ging ein Jahrzehnt später noch einen Schritt weiter als der New Journalism. Anfang der 1970er Jahre berichtete der exzentrische US-amerikanische Schriftsteller und Reportage-Journalist Hunter S. Thompson nicht nur aus seiner subjektiven Sicht – er vermischte dabei konsequent reale, autobiographische und fiktive Erlebnisse. Weil der Gonzo-Journalism Sarkasmus, Schimpfwörter, Polemik und Zitate als Stilelemente verwendet, ist er nach journalistischen Kriterien keine journalistische Form, sondern Literatur.
Mit dem Ambush Journalism entstand Mitte der 1990er Jahre eine Form weit weg von der neutralen Berichterstattung, aber auch von den literarischen Formen des Journalismus. Die Ambush-Journalisten „überfallen“ Exponenten aus Politik und Wirtschaft unvermittelt und vor laufender Kamera mit aggressiven Fragen, psychischem und teilweise physischem Druck („Auf die Pelle rücken“). Bekannt wurden mit diesem Stil US-amerikanische TV-Sendungen wie The O'Reilly Factor und 60 Minutes. Diese journalistische Praxis polarisiert, weil die einen den Ambush Journalism als unethisch kritisieren, andere ihn hingegen als einzigen Weg verteidigen, um gewisse Informationen zu erhalten.
Datenjournalismus (Data Driven Journalism, DDJ) ist eine Kombination aus Recherche-Ansatz und neuer Veröffentlichungsform. Maschinenlesbare Informationen werden per Software miteinander verknüpft und analysiert. Das Ergebnis dient beispielsweise als Basis für interaktive Visualisierungen. Diese werden mit dem Datensatz und Erläuterungen zum Kontext publiziert sowie mit Text, Audio oder Video kommentiert.[5]
Der Begriff konstruktiver Journalismus wurde im skandinavischen Raum von Journalisten wie Cathrine Gyldensted und Ulrik Haagerup geprägt. Dabei wird bewusst über positive Entwicklungen berichtet, um ein einseitiges negatives Weltbild bei den Lesern zu verhindern. Probleme werden nicht ignoriert, sondern um die Diskussion möglicher Lösungsansätze erweitert.
Der Nachrichtenwert „Konflikt“ erzeugt einen journalistischen Negativ-Bias. Durch konstruktiven Journalismus soll dieser vermieden werden. Die Berichterstattung soll geprägt sein von einer konstruktiven – und damit realistischeren – statt einer negativen Grundeinstellung. Beispiele sind das Tagesschau-Format #Lösungsfinder oder die ZDF-Dokureihe Plan B.
Eine erste Studie zeigt, dass die Mediennutzer besseres Verständnis, ein höheres Interesse für die porträtierte Problematik und eine höhere Handlungsbereitschaft zeigen.[6]
Beim entschleunigten Journalismus wird auf Eilmeldungen und Effekthascherei bewusst verzichtet und stattdessen der Fokus auf Kontext und Analyse gelegt.[7]
Zum Medienrecht gehört die Pressefreiheit im Grundgesetz. In den Landespressegesetzen der jeweiligen Bundesländer findet sich die rechtliche Grundlage der journalistischen Tätigkeit. Für den Rundfunk gibt es den Rundfunkstaatsvertrag, für die Online-Medien das Telemediengesetz. Daneben muss der Journalist in seiner täglichen Arbeit etwa Persönlichkeitsrechte und Urheberrechte beachten. Verletzt eine Veröffentlichung diesen Rahmen, kann auf Schadenersatz und Unterlassung geklagt werden. Es besteht grundsätzlich das Recht auf Gegendarstellung. Medien sind zur Angabe verantwortlicher Personen im Impressum verpflichtet.
Die Verwendung von Metamedien wie Suchmaschinen, die Inhalte aus Primärmedien abgreifen und veröffentlichen, führt zu neuen urheberrechtlichen und haftungsrechtlichen Fragen.
Medienethik soll in Hinblick auf die Verantwortung in Medienunternehmen eine Steuerungsfunktion übernehmen. Selbstverpflichtende Kontrollinstanzen sind der Deutsche, Österreichische und Schweizer Presserat. Sie überprüfen die Einhaltung der selbstgeschaffenen journalistischen Kodizes und rügen – ohne rechtliche Konsequenzen – Verstöße. Als einschlägige Kodizes sind zu nennen: Pressekodex, Ehrenkodex für die österreichische Presse, Erklärung der Pflichten und Rechte.[8]
1916 wurde das erste deutsche Institut für Zeitungskunde an der Universität Leipzig gegründet. Das Fach Journalistik ist heute oft in die Medienwissenschaft oder Kommunikationswissenschaft integriert.
Das Rollenverständnis von Journalisten ist stark durch historische, politische und soziokulturelle Einflussfaktoren, aber auch durch vielfältige gezielte Einflussnahme geprägt. Am Beispiel der Berichterstattung über die Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 zeigt Florian Meißer die verschiedenen Rollenverständnis und unterschiedliche Denkweisen japanischer und deutscher Journalisten auf.[9]